Autogenes Training

Das Autogene Training ist eine der bewährtesten und bekanntesten Entspannungsmethoden. Es dient der seelischen und körperlichen Gesundheitsvorsorge. Mithilfe des Autogenen Trainings kann unter anderem durch Selbsterkenntnis und Autosuggestion mit Stress und Belastungen besser umgegangen, wie z. B. auch eine Leistungssteigerung in Schule, Beruf und Sport erreicht werden.

Der Berliner Nervenarzt Johann Heinrich Schultz hat diese Entspannungstechnik Anfang des 20. Jahrhunderts als bis heute für den „europäischen Kulturkreis“ aktuelle Methode entdeckt und weiterentwickelt. Schultz bezog seine Erfahrung aus der Fremdhypnose (Heterohypnose). Ein fachkundiger Hypnotiseur behandelte seinen Patienten, den er hierzu in Hypnose versetzte. Mit dem Autogenen Training sollte nach Schultz der Patient fähig werden, diesen „hypnotischen“ Zustand selbst (autogen) herzustellen. Der Ansatz entspricht dabei als „Yoga des Westens“(5) unseren eher abendländischen Erfahrungen und Bedürfnissen.

Ein Anwendungsbeispiel aus der Medizin: „Der Patient tut eigenverantwortlich etwas für sich und aktiviert dadurch einen Heilungsprozess in sich selbst. … Neben der Stärkung des Selbstvertrauens wird somit auch die Selbstbestimmung gestärkt.“ Eigene Studien zur Wirksamkeit belegen dies darüber hinaus am Beispiel zur Behandlung bei erhöhtem Augeninnendruck.(8)

Einige Begriffsklärungen

Stress – verursacht z. B. durch

die Belastungen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Einflüsse ausgesetzt ist. Es handelt sich um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einen aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man seelisch und körperlich unter Druck steht. Stress kann sich auch durch innere Faktoren begründen oder verstärken.

Grundsätzlich lassen sich Belastungen und Anstrengungen nach ihrer Dosis unterscheiden:

  • Positiver Stress („Eustress“)
    Er stellt eine gesunde, die Lebensqualität steigernde Anforderung dar. Zusätzliche Aufgaben bewirken eine gesunde, eher befriedigende Leistungssteigerung (eher mittlere Stress-Dosis).
  • Negativer Stress („Distress“) meint die überbelastende schädliche und häufig krank machende Form. Betroffene erleiden einen Leistungsverlust (eher überhöhte Stress-Dosis).

Die richtige Stressdosis

Zur richtigen Stress-Dosis vgl. auch … [25]

Für die Messung des Stressempfindens gibt es keine objektive Methode. Die Wechselwirkungen zwischen stressauslösenden Faktoren und dem betroffenen Menschen sind vielschichtig, z. B. können sich berufliche und private mit bewussten und unbewussten Wirkfaktoren mischen – vgl. auch R. Lazarus (6). Die Anzahl der stressauslösenden Anlässe wie auch deren Dauer und Abfolge ist zu beachten.

Stress und seine möglichen Folgen

Chronischer Stresszyklus … [24]
Eine mögliche Überforderung entsteht z. B. aus ständiger Arbeitsüberlastung, aber viel tiefgreifender aus negativen psychischen Empfindungen. Zunächst nicht wahrgenommen, kommen diese nach und nach über andere Botschaften zum Ausdruck: z. B. psychosomatischen Beschwerden, Verhaltensänderungen mit Angstzuständen, Depression, Burn-out-Syndrom.

Möglichkeiten Stress zu bewältigen

Beispiele: [23]
  • Umorganisation des Arbeitsplatzes, Organisation von Hilfen („Instrumentelles Stressmanagement“)
  • Regulierung und Kontrolle der physiologischen und psychischen Stressreaktion („palliativ-regeneratives Stressmanagement“)
  • Stress vermeiden durch Stärken der psychischen Widerstandskraft – Resilienz

Anmerkung:  Zahlreiche und vielfältige Ratschläge zur Vermeidung bzw. Abbau von Stress finden sich z. B. auf den Internetseiten der Kranken- und Ersatzkassen oder anderen Institutionen zur Gesunderhaltung (z B. Bundesministerium für Gesundheit, „Ratgeber zur Prävention und Gesundheitsförderung“, Stand: 01/2016). Weitere Fundstellen: z. B. Prof. Dr. Gert Kaluza, Stress und Stressbewältigung … [22]

Eine große Bedeutung kommt auch der von uns verwendeten Sprache, genauer der Wahl unserer Worte zu. So kann nur das von uns verwendete Wort „Stress“ durch seine symbolhafte Bedeutung unbewusst in uns eine negative Wirkung entfalten.

Das Autogene Training stellt eine bedeutsame Möglichkeit dar, Stress durch geeignetes Üben in eigener Verantwortung zu vermeiden bzw. diesen zu beseitigen oder abzumildern und darüber hinaus weitere wichtige gesundheitliche Wirkungen mithilfe der Entspannung und Autosuggestion durch eine „bewusste Steuerung von unbewussten Körperfunktionen“ zu erreichen.

Bewährt haben sich aufeinander abgestimmte Übungsfunktionen (Grundübungen), nach denen über das vegetative Nervensystem auch wichtige Organfunktionen einbezogen werden, d. h.  der eintretende Erholungszustand wirkt sich über den Parasympatikus gleichzeitig positiv auf die Versorgung der inneren Organe aus (sogenannte organismische Umschaltung).

Die/der Übende lernt hierzu jeweils die Aufmerksamkeit und das Körperempfinden nach und nach zu erweitern, zu vertiefen und seiner natürlichen bzw. gesundheitsfördernden Funktion und Erkenntnis zuzuführen. Gleichzeitig festigt sich eine Erfahrung der Vorgehensweise (Routine/Ritual), was beim weiteren Lernen und in der übenden Anwendung eine sichere Umgebung und Hilfe darstellt.

Welche Position muss ich einnehmen?

Neben der Möglichkeit, die Entspannungsübungen im Liegen durchzuführen, hat sich die Übung im Sitzen bewährt. Besonders geeignet ist dazu die im folgenden Bild dargestellte „Droschkenkutscher-Haltung“:

Der Bezeichnung folgend kommt es in dieser Position zu einer entspannten Sitzhaltung. Ohne Anlehnen an eine evtl. vorhandenen Rückenlehne unterbleibt jegliche Körperanspannung und es wird „das völlig lockere und automatische Balancieren der Wirbelsäule ohne jede Muskelkraft“ erreicht [20].

Anmerkung:

Für das Autogene Training lassen sich in Veröffentlichungen (z. B. bei Krankenversicherungen) falsche bzw. irreführende Übungshaltungen beobachten. Die liegende Position ist möglich, aus Gründen der Praktikabilität im Alltag jedoch weniger ratsam. Andere Sitzpositionen ähneln fälschlicherweise Haltungen, wie sie häufig innerhalb einer Meditation oder anderen Entspannungsanlässen (z. B. aus Yoga) eingenommen werden.

Die Rücknahme

Nach jeder Übungsfolge ist unbedingt eine Rücknahme durchzuführen, außer vor dem Einschlafen (oder einer längeren Ruhezeit von mindestens drei Stunden [3]). Die Aufmerksamkeit „nach Außen“ wird wieder hergestellt. Beim Autogenen Training handelt es sich um eine Beeinflussung durch den Übenden selbst (Selbstsuggestion). Die sich während des Übens vorgestellte ausbreitende „somatische“ Entspannung erfordert eine ebenso „somatisch“ wirkende Rücknahme über eine Muskelanspannung. Vorgehensweise:
  1. Arme fest (Fäuste bilden, Arme dreimal mit Schwung kräftig an den Körper heranziehen)
  2. nach dem dritten Mal tief ein- und ausatmen
  3. Augen öffnen
Die nachfolgende Abbildung soll den Grad der Wachheit und der Suggestibilität während eines Trainingsverlaufs veranschaulichen:
Sie können sich hier eine kleine Übersicht zum Autogenen Training anschauen und als PDF-Dokument speichern …
Sie können sich hier eine kleine Übersicht zu häufig gestellten Fragen (FAQs) anschauen und als PDF-Dokument speichern …

In seinem Übungsheft für das Autogene Training beschreibt J. H. Schultz auch eine erweiterte Form der Rücknahme („Ausführliches Zurücknehmen“) [21]

Trainingsstufen

Die einzelnen erlernten Trainingsschritte täglich etwa zwei bis drei Mal selbsttätig üben. Für die gesamte Übungsfolge etwa zwei bis fünf Minuten vorsehen, um eine ausreichende Wirkung und Festigung zu erzielen.

Insgesamt soll der Trainingsstand (alle bislang erlernten Stufen) etwas über eine Woche täglich trainiert werden, bevor die nächste Trainingsstufe mit einer weiteren Formel der Suggestion zur Anwendung kommt.

Die Ruhetönung

  1. Auf ein ruhiges Atmen achten
  2. „Ich bin ganz ruhig“
    In der Wiederholung: „Ruhe“ – wobei in bestimmten Situationen der in der Lang-Formel „Ich bin ganz ruhig“ enthaltene Sprachrhythmus eine zusätzlich positive Wirkung zukommen kann – vgl. unten;
  3. Geräusche sind gleichgültig – sie verstärken den Zustand der Ruhe“
    Anfangs erwarten Teilnehmerinnen und Teilnehmer keinerlei „Störungen“ von „außen“. Diese Einstellung zeigt die Ungeübtheit. Unbewusst können darüber hinaus sogenannte Widerstände deutlich werden, die aus dem Unterbewusstsein wirken können:
    Mögliche Auffassung des Unterbewusstseins: „Bisher war alles klar – ich habe alles unter Kontrolle …“
    Aus tiefenpsychologischer Sicht sind weitergehende Erklärungen und Bewegungsgründe möglich.
    Absolute Ruhe sei notwendig, ist ein Missverständnis. Geräusche oder andere Einflüsse werden wahrgenommen, stellen aber infolge der zunehmenden „Ruhe und Gelassenheit“ keine „Störung“ dar. Die Unterbrechung der Entspannungsübung ist somit auf der emotionalen Ebene „nicht mehr wirksam“ und der logischen Ebene „nicht mehr gerechtfertigt“.

Anmerkung: Die Formeln der Ruhetönung beginnen mit dem Pronomen „ICH“, was die Beteiligung des Verstandes („ratio“) zum Ausgangspunkt des Autogenen Trainings andeutet. Die weiteren Stufen der Verinnerlichung, der Beteiligung des Vegetativen Nervensystems wenden sich zunehmend der emotionalen Ebene zu. Die gedankliche Kontrolle tritt („bewusst“) in den Hintergrund. „Besitzanzeigende Fürwörter“ wie „mein“ sind ungeeignet und im Hinblick des erwünschten Entspannungszustandes über entsprechende Körperempfindungen (organismische Umschaltung) aus therapeutischer Sicht hinderlich.

Formeln:

Im Autogenen Training sollte die für jede Übungsstufe ausgewählte Formel zur Autosuggestion über einen längeren Zeitraum beibehalten werden. Die autosuggestive Wirkung wird dadurch nachhaltig gewährleistet. Mit dem in der Vorstellung „Sich-im-Inneren-Vorsagen“ bzw. „Lesen“ einer Formel verbindet sich eine „Zugewandtheit“ bzw. ein „Gewährenlassen“, keine „Anordnung“, dass jetzt etwas zu geschehen habe. Imperative Formeln sind als Ergebnis einer aus der Verstandesebene kommenden „Anweisungen“ ungeeignet. Nach Inhalt und Art kommen bewährte und empfehlenswerte Formeln zur Anwendung, wie sie durch den Begründer des Autogenen Trainings, J. H. Schultz [19], eingeführt wurden.

Die Schwere-Übung

Voraussetzung (bei geeigneter Sitzhaltung / Liegeform) und erreichter Ruhetönung:  (s. o.)

Vorstellungsbild: Eigengewicht des Armes (z. B. rechter Arbeitsarm)

Formel (Suggestion):

  • Arm ganz schwer

Wirkung:

In der Wahrnehmung fühlt sich der Arm anders an, da sich dessen Muskulatur entspannt (gelöst) hat. Die für die Versorgung zuständigen Gefäße können sich weiten, Verbrauchtes abführen und wieder Energie zuführen (Entspannungsreaktion, verursacht durch den Parasympathikus).

Weiterführend in den nachfolgenden Übungen:

Beide Arme ganz schwer; erfordert die Übung eine vorsichtigere abgeschwächtere Formel (z. B. wegen vorhandener körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung), kann statt des Eigenschaftswortes „ganz“ der Begriff entfallen oder durch den Begriff „angenehm“ ersetzt werden:

  • Arme und Beine angenehm schwer
    (nach mehreren Übungstagen bzw. spürbarem Übungserfolg)
    Ganzer Körper angenehm schwer

Schrittweise Ausdehnung der anzusprechenden Körperteile, und Körperregionen.

Die Wärme-Übung

Übungen zur Wärme-Empfindung beginnen ebenfalls mit einem Körperteil, z. B. dem rechten Arm. Mit weiteren Übungsschritten (linker Arm) empfinden weitergehende Körperteile (z. B. Beine) darüber hinaus ebenfalls das Gefühl der Wärme, z. B. rechter Arbeitsarm.

Formel:

  • Arm ganz warm; erfordert die Übung eine abgeschwächtere Formel (s. o.), kann statt „ganz“ der Begriff „angenehm“ verwendet werden:

Beide Arme ganz warm
(nach schrittweiser Ausdehnung)
Arme und Beine; … ganzer Körper … warm

Vorstellungshilfe: siehe Beispiel unten

Erläuterung:

Stärken der „Vitalfunktionen“ über das Empfinden z. B. von

Schwere und Wärme

Wirkung:

Die Muskulatur entspannt, Blutgefäße weiten sich, bildhaft unterstützt z. B. durch das

  • Spüren des Eigengewichtes des Armes > Schwere;
  • vorstellungsweise Spüren z. B. von Sonnenstrahlen auf Teilen unseres Körpers (z. B. Arme) > Wärme;

Die Generalisierung

Übungen zur Empfindung von Schwere beginnen mit einem Körperteil, z. B. dem rechten Arm. Mit weiteren Übungsschritten (linker Arm) empfinden weitergehende Körperteile (z. B. Beine) darüber hinaus ebenfalls das Gefühl der Schwere. Diese sich von selbst erweiternde Empfindung wird mit dem Fachbegriff „Generalisierung“ umschrieben. Gleiches gilt für die Wärme-Übung (Resonanz des vegetativen Nervensystems). Damit einher geht die sprachliche Verdichtung  – z. B. mit den Signalworten „Schwere“ bzw. „Wärme“.

Über Vorstellungsbilder:

In den einzelnen Trainingsstufen helfen bestimmte Vorstellungen, Gefühle und Gedanken das jeweils erwünschte Ziel auf geeignete Weise zu erreichen. Nach gesundheitlichen Grundsätzen kann das vegetative Nervensystem z. B. durch Ansprechen des Parasympathikus für ein Gleichgewicht (= Homöostase) mit dem Sympathikus sorgen. Die häufig aus der Psyche kommenden Stressreaktionen werden aufgelöst oder gemildert, körpereigene Kräfte durch Stärken des sogenannten „Ruhenervs“ über „Vitalfunktionen“ wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel regeneriert und aufgebaut (= trophotrope Wirkung).

Die Herz-Übung

Ruhe-, Schwere- und Wärme-Übung wirken spürbar mit dem Entspannungseffekt auf das vegetative Nervensystem (Parasympathikus). Körperlich setzt sich das Erspüren dieser Wirkung neben einer positiven Beeinflussung des Kreislaufsystems auf beteiligte Körperorgane wie dem Herzen fort. Herzschlag (Puls) und Blutdruck können sich normalisieren.

Formel:

  • Das Herz schlägt ruhig und regelmäßig

Mit der Formel wird dieser positive Einfluss nachhaltig erreicht und verstärkt. Statt des Herzschlags lässt sich auch der Puls fühlen. Das kann z. B. innerhalb der Handfläche geschehen, wenn diese in der „Droschkenkutscherhaltung“ auf dem Oberschenkel liegt und man bei zunehmendem Üben dort „hinspürt“.

Herz und Symbolik

Wie bei keinem anderen Organ steht das Herz auch für viele Bedeutungen (Symbolik), die sich in unseren Gefühlen wiederfinden. Vorstehende Grafik zeigt einen Ausschnitt möglicher Situationen oder Gegenstände, die unser Gefühl bestimmen können. Z. B.
positiv kann

  • das Herz vor Freude hüpfen, besser: „Liebe und Wärme, Zuneigung“ ausströmen
  • die Stärke einer Beziehung zu anderen Menschen, aber auch zu Sachen, Gewohnheiten oder Auffassungen ausdrücken
  • man sich ein Herz fassen, also Mut beweisen

negativ kann

  • das Herz in die Hose rutschen
  • das Herz vor Schmerz bluten
  • das Herz vor Sorgen eingeschnürt sein

Unsere Gefühle (auch Ängste) können sich aus traumatischen, auch frühkindlichen Erfahrungen, aber auch gesellschaftlichen Einflüssen herleiten. Oft bleibt der unmittelbare Anlass verborgen. Es zeigen sich lediglich Symptome vielfältiger Art. Körper („Soma“) und Gefühl („Psyche“) sind untrennbar verbunden. Ungleichgewichte können ihren Ausdruck in psychosomatischen Erkrankungen finden.

Das Autogene Training kann helfen, eine große Zahl von Beeinträchtigungen durch eigenes Einwirken zu bessern (z. B. Stressabbau), durch die körperlichen Effekte die Gesundheit zu fördern und eine positive Lebensauffassung zu gewinnen (z. B. mithilfe der selbstgesteuerten Autosuggestion).

Das Autogene Training kann auch ermöglichen, negative Symptome zu beseitigen oder zu lindern, aber auch Erkenntnisse zu gewinnen (= Selbsterkenntnis), um ggf. bisher verborgene Ursachen mittels fachkundiger Hilfe zu entdecken und therapeutisch aufzuarbeiten.

Beispiel:

Herzrhythmus und Blutdruck

Wirkung:

  • Regulierung der Atmung
  • Regelmäßige, ruhige und richtige Atemzüge (Bauch- und Zwerchfellatmung)

und

  • Suggerieren eines ruhigen regelmäßigen Herzschlags.

Insbesondere für Vorstellungshilfen beim Herzschlag ist auf die vielfältigen Symboldeutungen des Herzens auch in Bezug auf das Befinden des Übenden zu achten.

Nur für das erstmalige Erlernen dieser Phase und Teil einer gesonderten Übung können folgende Vorstellungen hilfreich wirken:

Es gilt der Grundsatz, aktiv an ein positives Vorstellungsbild zu denken, besser es zu sehen. Dazu zählen Bilder, die ein beruhigendes Gefühl entstehen lassen können.

Beispiel: Vorstellen eines Spazierganges in der Natur; das Betrachten einer Blume oder anderen Pflanze oder andere angenehme Eindrücke, wie ein guter Duft.

Handelt es sich um Leitgedanken, so gelten bekannte Prinzipien: z. B.

  • Ziele vermeiden, die nicht oder nur schwer oder über einen langen Zeitraum oder  nach schwierigen Bedingungen (auch nach Mitwirkung Dritter) realisierbar erscheinen.
  • Bei eigenen Leitgedanken verneinende Aussagen (Negationen) vermeiden. Diese werden im Unterbewusstsein unvollkommen bzw. falsch verstanden.
  • (Negativ)-Aussage: „Ich rege mich nicht mehr auf“ – oder – ein unangenehmes Erlebnis ausblenden („Das überseh‘ ich einfach!“)

Im Unterbewusstsein wird vereinfacht, also falsch verstanden: „Ich rege mich auf“ – das „Erlebnis ist jetzt präsent (vor Augen)“.

Sprachaufbau, Sprachrhythmus und Akzeptanz eines Leitgedankens:

Basissuggestion

Sämtliche vorgedachten bzw. bildhaft vorgestellten Autosuggestionen sollen dem individuellen Empfinden angepasst sein, in Geschwindigkeit und Umfang für das Unterbewusstsein zu keiner Überforderung führen.

Das Gefühl bzw. Missverständnis von Hektik vermeiden. Ruhe und Gelassenheit wirken hier als angewandtes Prinzip. Manche Formeln gehen unmittelbar in eine vorhandene Rhythmik ein:

Die Atem-Übung

Formel:

  • Es atmet mich
Satzfolge und Satzrhythmus können sich z. B. in der Atemübung gleich einem Gedichtvers einprägen. Der Beginn der Formel, das Wort  „Es“, weist auf die tief verankerte natürliche Funktion des Atmens hin. Atmung geschieht aus dem Gebot der Lebenserhaltung von selbst, der Grundlage zu Vertrauen und somit der Sicherheit und Selbstkontrolle.
Erläuterung:

Übende sollen die Formeln zur Autosuggestion ohne Zwang und Befehlsform „sich im Inneren vorsagen“ / „aufnehmen“. Folgende Zeitzuordnung und Betonung / Stimmlage / Atemtiefe bieten sich beispielhaft an:
Am Beispiel der vorstehenden Abbildung lässt sich zeigen, dass die Körperfunktion ATMEN selbsttätig erfolgt, d. h. nicht in einen Rhythmus der anzuwendenden Formel eingepasst werden muss. Dennoch gibt das subjektive Empfinden Gelegenheit, zu einer positiven Passung zwischen Formel und Entspannungsreaktion beim Atmen zu gelangen.
Statt sich die Formel „im Geiste vorzusagen“, kann für manche das Einprägen leichter mittels einer bildhaften Vorstellung erfolgen, z. B. auf einer Schultafel geschrieben:

Wirkung:

Die Atemtechnik besteht aus einer Bauch-/Zwerchfellatmung, wobei insbesondere das Ausatmen langsam und ohne Hektik erfolgen soll. Zum natürlichen Bedürfnis des Atmens erhält man die Gelegenheit, regulierend und regenerativ in das vegetative Nervensystem (Parasympatikus) einzuwirken. Man bahnt damit auch den nächsten Übungsschritt vor:

Die Sonnengeflecht-Übung

Mit dem Sonnengeflecht wird der Bauchraum mit wichtigen Organen wie Magen, Leber, Nieren sowie weitere bedeutsame Verdauungsorgane wie das Darmsystem angesprochen. Funktional damit eng verbunden sind weitere wesentliche Systeme (Blutgefäße, Nerven). Unter dem Begriff „Sonnengeflecht“ findet sich hier der Nervenknotenpunkt („Solarplexus“), das „sensible“ autonome Nervensystem als Bestandteil des vegetativen Nervensystems.

Formel:

  • Das Sonnengeflecht ist strömend warm.

Vorstellungshilfe:

Ein wärmendes Kissen oder eine Bettflasche auf dem Bauch (hilfreich vielleicht auch die Erinnerung an die Kindheit, z. B. mit der wärmenden Hand der Mutter). Eine weitere Vorstellungsmöglichkeit: angenehme Sonnenstrahlen.

Wirkung:

Spannungen werden gelöst und ein angenehmes Gefühl der Erleichterung breitet sich aus. Die beteiligten Bauchorgane und das gesamte Verdauungssystem gelangen so in einen entspannten, die gesundheitlichen Funktionen fördernden Zustand.

Anmerkung: Dieser positive Effekt kann sich durch ein hörbares „Gluckern“ aus dem Darmtrakt bemerkbar machen.

Die Stirnkühle-Übung:

Diese Übungsstufe des Autogenen Trainings wendet sich erstmals dem Kopf zu. Beim Menschen befindet er sich ganz oben, bedingt durch dessen aufrechten Gang („homo erectus“). Zahlreiche Körperregionen (Arme, Beine, Sonnengeflecht) wurden in den vorausgegangenen Übungsschritten mit dem Gefühl der Schwere und Wärme angesprochenen, um angenehme Gelöstheit zu empfinden, eine Voraussetzung zur Entspannungsreaktion durch den Parasympathikus. Die Folgen der Gefäßentspannung, dem damit verbundenen Schwere- und Wärmegefühl und der zunehmenden Blutzirkulation wäre im Organ „Gehirn“ für dort ablaufenden Funktionen hirnphysiologisch nachteilig. Stattdessen ist die Vorstellung eines „kühlen Kopfes“ oder einer „kühlen Stirn“ ratsam.
Diese besondere Bedeutung wird aus bekannten Behandlungsmethoden (fiebrige Erkrankungen, Kopfschmerzen, Schwindel) deutlich. Man legt ein kühlendes Tuch auf die Stirn oder hält sich einen Beutel mit Eis auf den Kopf.

Vorstellungshilfe:

Bei geschlossenen Augen spüre ich auf der Stirn einen sanften kühlen Luftzug …

Formel (Suggestion):

  • Stirn angenehm kühl

– oder –

„Stirn angenehm kühl und gelöst“

Anmerkung:
Diese Formel lässt sich nach Bedarf auch erweitern: z. B. zur Linderung von Kopfschmerzen oder Migräne und weiteren Anlässen:
„Kopf angenehm kühl.“  – oder –
„Kopf angenehm kühl und schmerzfrei.“

Andere mögliche Suggestionen:

„Kopf ist frei und klar“  – oder –
„Kopf ist leicht und frei“  – oder –
„Kopf ist leicht und gelöst“

Die erweiterte Formelbildung:

Sucht man nach einer weitergehenden Wirkung, kann man die beabsichtige Suggestion mithilfe einer aus der Hypnoseeinleitung bekannten Konzentrationsübung verstärken:
Zum Ende des vertieften Ruhezustandes richtet man bei geschlossenen Augen kurzfristig die Augen auf den Fixationspunkt nahe der Nasenwurzel aus („Engrammbildung“) [3]. Nachdem die Augen nach der kurzen Augenfixation („dem nach oben innen schielen“) wieder zurückgefallen sind, formuliert man dann die ausgewählte Suggestionsformel. In Inhalt und Form ähnelt sie der Formel für die Kopf-Übung. Aber auch andere kurze Suggestionen sind möglich: z. B.

  • Ich bewahre Ruhe und Gelassenheit

[3] vgl. Werner J. Meinhold, Das große Handbuch der Hypnose, Ariston Verlag, Genf, 1980, S. 95 ff.

Wirkung:

Mit der Kopf- bzw. Stirn-Übung lassen sich verschiedene Absichten schwerpunktmäßig erreichen: z. B.

  • Ruhe und Erholung  – oder –
  • Kopfschmerzen lindern  – oder –
  • störende Gedanken abwehren  (sind gleichgültig!) – oder –
  • sich frei (= unbelastet) fühlen.

Allgemein: Herausforderungen mit einem ausgewogenen Gleichgewicht aus „Gefühl und Verstand“ anzunehmen, positiv zu beeinflussen oder zu bewältigen.

Festigung:

Beim Erlernen des Autogenen Trainings müssen beim täglichen Üben die zu jedem Übungsstand erlernten Phasen jeweils sämtlich einbezogen werden. Erst dadurch kommt es zur erstrebten Übungserfahrung (Konditionierung), der notwendigen und angestrebten Anreicherung und Festigung körperlicher und geistiger Kräfte (vgl. Homöostase).

Mit einer geeigneten Betonung und dem vorgesehenen Rhythmus kann eine optimale Wirkung erzielt werden. Während des Übens die angewandten Formeln nur wiederholen, wenn es für eine bestmögliche Wirkung erforderlich scheint. Mit zunehmender Geübtheit sind weniger Wiederholungen erforderlich.
Eine Formel verankert sich nach und nach im Unterbewusstsein. Die erwünschten Wirkungen setzen z. B. über die beteiligten Nerven-, Organ- und Gefäßsysteme nach einem notwendigen Trainingseffekt (Konditionierung) ein – z. B. auch Normalisierung von Herzschlag und Blutdruck.

Ein Kurs AUTOGENES TRAINING – mit zwei Unterrichtseinheiten je Kursabend – dauert z. B. an einer Volkshochschule in der Regel acht Wochen, also insgesamt 16 Unterrichtseinheiten.

Akzeptanz:

Während den einzelnen Übungsschritten ist es förderlich bzw. notwendig, dass sich eine Überzeugung über das Gelingen und den Erfolg des autogenen Trainings Schritt für Schritt einstellt. Die dafür notwendige Geduld, das Beharrungsvermögen und die Zuversicht hängen von der „inneren Einstellung“ ab. Diese setzt sich aus der „gedanklichen“ Überzeugung (Ratio) und im wesentlichen Maß der „Zustimmung des Gefühls“ (Unterbewusstseins) zusammen. Möglicherweise können auch unbewusst grundsätzliche negative Wirkfaktoren vorliegen, welche tiefenpsychologisch als Widerstände anzusehen sein können.

Anwenden des Autogenen Trainings

Der alltägliche Gebrauch

Durch das Erlernen des Autogenen Trainings verändern sich die in uns vorliegenden Bedingungen und unser Verhalten. Viele als negativ wirkende Empfindungen und Sehensweisen liegen zunehmend weniger vor oder werden anders verarbeitet oder interpretiert („Ruhe und Gelassenheit“).

Ist das Autogene Training ausreichend geübt und gefestigt, kann die Entspannungsreaktion jederzeit und zu jedem Anlass ihre Wirkung entfalten.

Mit dem Denken und Empfinden der in unserem Körper, unserem Geist und unserer Psyche verankerten Reaktionsmechanismen geschieht das automatisch. Sie werden von anderen/anderem durch bestimmte Signale in uns ausgelöst.  Möglich ist dies in Form gesprochener Worte, beobachteten Bewegungen oder weiteren Ausdrucksformen. Auslösende Anreize (Stimuli) können sich auch in uns selbst finden.

Der Erhalt der Wirkung

Die beschriebenen Schritte und Wirkungen des Autogenen Trainings setzen eine dauerhafte Übung voraus. Nur so bleiben die physiologischen und psychologischen Effekte gewahrt und abrufbar. Das erworbene erweiterte Reiz-Reaktions-Schema – im Gedächtnis verankert – unterliegt auch der Vergesslichkeit. Die einmal gespeicherten Mechanismen gehen zwar nicht verloren, sondern werden in einen anderen Gedächtnisbereich verschoben. Informationen und Reflexe sind von dort nicht direkt abrufbar. Dazu müssen sie stattdessen für den Zugriff erneut vorbereitet – aktualisiert werden – vgl. dazu als Hintergrundinformation, z. B. Max-Planck-Gesellschaft: „… vergessen ist nicht verloren …“(9).

Der spontane Gebrauch

Erste Hilfe

Hier geht die Erwartung über den Vorteil der dauerhaften positiven Wirkung hinaus.
Sind sämtliche Reiz-Reaktionsmechanismen gut und aktuell trainiert, lässt sich eine Entspannungsreaktion unmittelbar abrufen oder verstärken. Welche als notwendig und aussichtsvoll wirksam erscheint, richtet sich auch nach der Art der auslösenden Situation bzw. dem Bedeutungshintergrund. Die für das Training erforderlichen Vorgaben wie Schließen der Augen, Ruheposition, Vorstellen von Schwere und Wärme sind möglich, aber nicht Voraussetzung.

Beispiel:

Ich stehe vor einem Bewerbungsgespäch.

Spontane Hilfe durch die im Autogenen Training erworbene Fähigkeit der Autosuggestion:

  • langsam und ruhig tief ein- und ausatmen
  • Suggestion: „Ich bin ganz ruhig“

Beispiel:

Ich bin mit dem Pkw unterwegs. Durch eine unvorhergesehene Verkehrssituation erleide ich einen großen Schrecken. Mein Herz schlägt mir „bis zum Hals“.

Spontane Hilfe durch Formeln aus dem Autogenen Training:

  • „Das Herz schlägt ruhig und regelmäßig“ (dabei auf regelmäßiges und ruhiges Atmen achten) und
  • Suggestion: „Es atmet mich“

Beispiel:

Die Bildschirmarbeit erfordert eine stete Konzentration für Geist und Sehkraft.

Spontane Hilfe durch eine Formel und Verhaltensweise:

  • Kurzes Schließen der Augen beim Gedanken: „Wahrnehmen leicht“

Beispiel:

Von mir zu bewältigende Aufgaben erscheinen mir übergroß.

Spontane Hilfe durch eine Formel:

  • „Ich bewahre Ruhe und Gelassenheit“

Dies kann als erste Voraussetzung einer Besserung dienen. Die Lage kann möglicherweise die Kraft zu weiterreichenden Handlungen bzw. Entscheidungen erfordern, wodurch über das Autogene Training insgesamt eine Hilfe gefunden werden kann, z. B.

  • „Ich wäge meine Gedanken“ (prüfe sorgfältig) oder „Andere Wege (Lösungen) möglich“

Das nachfolgende Schaubild soll den Zusammenhang verdeutlichen helfen:

Autogenes Training, Stufen und Gliederungen

Neben dieser von mir angewendeten und allgemein verbreiteten Form lassen sich weitere unterschiedliche Ausbau- und Organisationsformen für das Autogene Training anführen, z. B. unterscheidet man in

  • Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe   – oder –
  • Unterstufe und Oberstufe.

Das Autogene Training als Unterstufe entspricht der vorgenannten Grundstufe, stellt jedoch zum Ende (vgl. „Stirnübung“) eine didaktisch reduzierte Form der Vorsatzbildung vor.

Mit der Mittelstufe stehen für Geübte die erweiterten Möglichkeiten zur Vorsatzbildung als Ziel und Lerngegenstand im Vordergrund.

Eine besondere Aufgabe kommt der Oberstufe zu. Unter einer qualifizierten therapeutisch geschulten Leitung wird hier vermehrt psychoanalytisch gearbeitet. Neben J. H. Schultz stehen Heinrich Wallnhöfer und  Klaus Thomas [30] für die darin anzusprechenden, zu erlernenden Inhalte und Übungen.